Ausführliche Biografie 1977–1998

»Rot ist Leben, Energie, Potenz, Macht, Liebe, Wärme, Kraft. Rot macht high.«
(›Rotbuch 1975/78‹, o. S.)

Mitte der siebziger Jahre entdeckt Rupprecht Geiger die Werkgruppe der 14 Gemälde mit irregulären Bildformaten wieder und stellt einige davon 1977 im Quadrat Bottrop aus. Ab 1978 beginnt er mit dem Werk ›725/78 (Farbraum, Geist und Materie)‹ (WV 693), zwei geometrische, archetypische Formen zusammen zu setzen, die farblich und formal miteinander kontrastieren. Die Gemälde sind meistens großformatig bis monumental. Beginnend mit dieser Werkgruppe beschäftigt er sich immer intensiver mit der Farbe Rot. Heinrich Böll schenkt ihm 1975 ein leeres rotes Notizbuch, das der Künstler bis 1978 mit Skizzen und Anmerkungen hauptsächlich zur Farbe Rot versieht. Das ›Rotbuch 1975/78‹ erscheint 1998 anlässlich der Retrospektive im Lenbachhaus in München als Faksimile. Darin notiert Rupprecht Geiger:

»Rot: Die Farbe der Potenz. Rot ist geballte Energie und manifestiert sich im Glutrot der untergehenden Sonne. Die Macht der Roten Farbe: eine geistige Kraft ist sie. Die Farbe mit der größten Potenz macht high... Rote Farbe sehen, fühlen, hören, erfrischt, macht stark – gibt dir Kraft.«
(›Rotbuch 1975/78‹, o. S.)

Nach München zurückgekehrt weiht Rupprecht Geiger zunächst seine großen, vom Münchner Architekten Detlef Schreiber entworfenen Atelierräume ein. Das neue Atelier befindet sich neben dem Wohnhaus der Familie in München-Solln und wird 1989 noch einmal vom gleichen Architekten erweitert. Erst nach dem Düsseldorfer Intermezzo beginnt die bayerische Landeshauptstadt ihn zu würdigen, zunächst 1978 mit seiner ersten Retrospektive in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus.

Es dauert nur noch wenige Jahre, bis er auch zahlreiche Aufträge für Arbeiten im öffentlichen Raum bekommt: 1986 entstehen vier großformatige Aluminium-Objekte für die Technische Universität, 1987 wird das Objekt ›Gerundetes Blau‹ vor dem Kulturzentrum am Gasteig aufgestellt, 1989 wird die U-Bahn-Haltestelle Machtlfinger Straße nach einem Geiger-Entwurf gestaltet, 1990 entsteht das Werk ›Farbkomposition Rot‹ in der Münchner Fachhochschule.

Außerdem erhält Rupprecht Geiger Ehrungen und Auszeichnungen: 1989 wird ihm der Kulturelle Ehrenpreis der Landeshauptstadt München übergeben, 1992 der Kulturpreis der Bayerischen Landesstiftung, 1993 der Bayerische Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst.

Nicht nur in Bayern wird sein Werk gewürdigt. Nachdem Rupprecht Geiger 1977 an der 6. documenta teilnimmt, beteiligt er sich auch an vielen internationalen Ausstellungen im In- und Ausland. Des Weiteren finden zahlreiche Einzelausstellungen in Deutschland statt, wie beispielsweise die viel beachtete Retrospektive von 1985, die in Berlin, Ludwigshafen und Düsseldorf gezeigt wird. Einzelausstellungen von Rupprecht Geiger werden jedoch nicht nur deutschlandweit, sondern auf der ganzen Welt gezeigt:1986 im Seiji Togo Kunstmuseum in Tokio, 1992 im Hôtel des arts in Paris oder 1994 im Russischen Museum in St. Petersburg, eine Retrospektive, die im darauffolgenden Jahr nach Dresden und München wandert.

Rupprecht Geiger im Atelier, München 1985; Foto: G. W. Bachert, München
Rupprecht Geiger im Atelier, München 1985; Foto: G. W. Bachert, München

Während ihm 1986 die Goldmedaille bei der 8. Norwegischen Internationalen Graphik Biennale in Fredrikstad für die zehnfarbige Serigrafie (WVG 173) verliehen wird, erhält er 1988 den großen Kunstpreis der Berliner Akademie der Künste sowie das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. 1991 wird er mit dem Rubenspreis der Stadt Siegen ausgezeichnet und 1994 mit dem Harry Graf Kessler-Preis des Deutschen Künstlerbundes.

Ab Mitte der achtziger Jahre arbeitet Rupprecht Geiger an neuen Werkgruppen. 1984 entwirft er formal-abstrakte Holzobjekte, die so genannten Metapherzahlen 0–9. In Anlehnung an diese Thematik konzipiert er in Zusammenarbeit mit der Galerie Hoffmann in Friedberg eine äußerst aufwendige, über mehrere Jahre hinweg gedruckte Mappe mit großformatigen Serigrafien zu diesen Zahlen. Ein wenig später beginnt er an den Rollenbildern zu arbeiten, hier erweckt die an einer Rolle befestigte rote oder pinke Leinwand den Eindruck, sie könne bis ins Unendliche abgerollt werden. Tatsächlich ist eine davon mehr als 7 Meter lang, kann aber eingerollt als kleines Paket transportiert werden. In dieser Zeit entstehen auch einige begehbare Rauminstallationen, so 1985 die ›Rote Trombe‹, eine Gemeinschaftsarbeit mit Florian Geiger für die Berliner Retrospektive, und die ›Farbraum Installation für Rot‹ für die Galerie Wassermann in München. 1989 erwirbt das Lenbachhaus die Rauminstallation ›Neues Rot für Gorbatschow‹ und 1990 wird die begehbare Plastik ›Meditationsraum‹ für das Bezirkskrankenhaus in Taufkirchen (Vils) aufgestellt.

Die Farbe Rot dominiert weiterhin. Über ›seine‹ Farbe äußert Rupprecht Geiger sich in Form von knappen Formulierungen und kommt zur folgenden Erkenntnis: »Rot ist letztlich die Farbe unseres Planeten. Es ist die Farbe, die uns am meisten angeht, auch geschichtlich betrachtet nimmt die rote Farbe eine Sonderstellung ein. Rot schockiert.« (Interview mit Heinz Schütz, 1988, S. 203). Nachdem ihm 1988 die Staatsgalerie Moderner Kunst im Haus der Kunst eine Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag widmet, übernimmt die Städtische Galerie im Lenbachhaus 1998 wieder die Aufgabe, dem Künstler zum runden Geburtstag mit einer wichtigen Ausstellung zu gratulieren. Im gleichen Jahr wird ihm die goldene Ehrenmünze der Landeshauptstadt München, die höchste Auszeichnung der Stadt, verliehen.

Autorin: Julia Geiger